Neugierig auf Kinky Sex? Ja! Aber bitte ohne Mr. Grey
Die Reaktionen, die ich im Netz insbesondere in verschiedenen Facebook-Gruppen zum Filmstart von „50 Shades“ gelesen habe waren sehr unterschiedlich. Das reichte von: „Ich habe die Bücher geliebt aber der Film sei nix“ oder „Der Hauptdarsteller ist so ein Hottie.“ bis hin zur großen Irritation einer Zuschauerin, welche dies zum Anlass nahm einen sehr persönlichen Aufruf zur Achtsamkeit vor gefährlichen, kontrollsüchtigen Männern zu verfassen.
Dieser Kontrollwahn des Mr. Grey ist es vermutlich auch gewesen, der mich an der Geschichte störte – neben dem obszönen Reichtum und dem ewigen Gezerre um den „Sklavenvertrag“ zwischen ihm und diesem sexuell ahnungslosen „Vanilla-Mädchen“ Anastasia. Denn das ist sie zu Beginn ihrer Begegnung. Sie sehnt sich nach Liebe und Romantik und er zeigt ihr den Raum mit den Peitschen und Fesseln. Da könnte frau ja schon mal auf die Idee kommen, das dies so gar nicht zusammen passt. Aber wie einige von uns manchmal so zu sein scheinen, träumen wir uns den reichen, attraktiven Mann mit der schweren Kindheit und seinem Wunsch alles zu kontrollieren zurecht bis er in unser Bild passt oder der Gedanke ihn vielleicht zu heilen (von seinen „perversen“ Neigungen) bzw. zu retten aus seiner Unfähigkeit Menschen an sich heran zu lassen weckt die Kämpferin in uns. Leider kann das in der Realität nur ins Unglück führen wenn die Lebenswelten und Vorstellungen von einer Beziehung (oder auch „nur“ dem Sex) so unterschiedlich sind.
Leider fällt bei der Konzentration auf die Idee, den geheimnisvollen, in seinem Herzen einsamen und unglücklichen Mann retten zu wollen gern etwas Wichtiges hinten runter!
Nämlich: Eine Beziehung zweier Menschen, welche BEIDE Spaß an ausgefallenen sexuellen Spielen haben, kann und sollte! eine sehr bereichernde Angelegenheit für BEIDE sein. Sei es eine reine Spielbeziehung, in der zwei Menschen ihren BDSM Neigungen freien Lauf lassen oder eine Paarbeziehung in der auch Liebe eine Rolle spielt und das Hierarchie-Gefälle nur im sexuellen Kontext vorkommt aber nicht im Alltag.
Wer Interesse am Thema hat und in einer Großstadt lebt, sollte in einen einschlägigen Laden für BDSM Spielzeuge (also „Schlagwerkzeuge“, Fesseln, Seile, Fetischkleidung, Knebel und Zubehör für z.B. Klinikspiele) gehen. An solchen Orten kann man sich (meist) mit eigenen Augen davon überzeugen, dass dort normale, bodenständig wirkende Menschen arbeiten, die einem gern Fragen beantworten wenn man z.B. ein Einsteiger-Toy sucht. Dort muss sich niemand schämen, denn er befindet sich unter gleichgesinnten Menschen. Fragen zu stellen oder sich etwas empfehlen zu lassen ist meist eine gute Idee, denn Schmerz ist nicht gleich Schmerz und ein weiches Baumwollseil Seil für Bondage ist nicht zu vergleichen mit Ledermanschetten für Hand- und Fußgelenke.
Allgemein sind BDSM Spiele eine sehr vielschichtige Angelegenheit. Es gibt Menschen, die gern mit dem Machtgefälle (Dominanz/Submission) spielen aber keinen Schmerz mögen und umgekehrt gibt es masochistisch veranlagte Menschen, die aber gar nicht auf diese Hierarchie-Sache stehen. Es kann also beides zusammen kommen aber es muss nicht. Vieles ist bei BDSM auch Kopfkino. Die Erfahrungen oder Ideen, die mit bestimmten Handlungen verknüpft werden, führen beim einen zu starker Erregung und beim anderen passiert einfach nichts im Lustzentrum. Ach ja: Manche Spielzeuge zum lustvollen Schlagen hinterlassen Spuren wie Striemen oder blaue Flecken, die auch schon mal bis zu einer Woche erhalten bleiben können!
Will man mit Lustschmerz experimentieren, sollte man sich bewusst sein, dass Schmerz sehr unterschiedliche Ausprägungen haben kann. Es gibt „Werkzeuge“, die verursachen ein flächiges Gefühl von Wärme, das nur ein wenig Schmerz im Gepäck hat wie z.B. ein weicher Lederflogger mit breiten Wildlederfäden. Erhöht man die Schlagstärke und testet aus, wo man ihn überall verwenden kann verändert sich auch der Schmerz und die Reaktion des Empfangenden im Spiel. Schmerz kann flächig sein wie bei den gern empfohlenen breiten Klatschen, welche allerdings gerade für Anfänger mit Vorsicht zu genießen sind auch wenn es Exemplare gibt, die optisch wirklich etwas her machen. Die in BDSM Romanen gern beschriebenen Gerten verursachen einen schneidenden, eher punktuellen Schmerz.
Klassische Rohrstöcke gibt es in Läden, die sich damit auskennen in verschiedenen Stärken (Durchmesser) und Längen, ungeschält oder geschält. Je dünner der Stock, um so eher erinnert er an das schneidende Gefühl, welches eine Gerte verursacht. Ein breiter, ungeschälter Stock hingegen ist eher dumpf im Gefühl, da er nicht so nach federt wie seine dünnen, geschälten „Kollegen“. Welche Länge der Stock haben sollte, hängt von der Frage ab wie nah er (oder sie) beim schlagen vom Objekt der Begierde entfernt sein möchte. Steht man neben dem submissiven Partner kann das Schlagwerkzeug allgemein länger sein als wenn noch Körperkontakt bestehen soll (z.B. beim klassischen „Übers-Knie-legen“).
Man kann nicht präzise treffen, wenn der Stock, die Klatsche oder auch eine Peitsche zu lang sind. Fäden wickeln sich auch gern noch um Schenkel/ Taille oder man schlägt sich aus Versehen selbst. Schlecht platzierte Schläge können beiden das erotische Treiben ganz schön verderben. Das Adrenalin, welches der Körper ausschüttet wenn (die richtigen) Schlagwerkzeuge den Körper treffen kann ein High auslösen, das noch Tagelang nachwirkt.
Auch wenn es im letzten Absatz sehr technisch um Schlagwerkzeuge ging: Es gilt hierbei nicht aus den Augen zu verlieren, dass ich immer von zwei Erwachsenen Menschen ausgehe, die einvernehmlich eines oder mehrere dieser Schlagwerkzeuge austesten oder routiniert anwenden, weil es ihnen beiden Spaß & Lust bereitet!
Niemand sollte das nur für den anderen tun! Das wäre völlig falsch und würde einer missbräuchlichen Beziehung Tür und Tor öffnen. Wenn Bücher oder Filme euch Lust auf das Thema BDSM gemacht haben und ihr den Mut habt, euch auszuprobieren kann das eine aufregende Reise werden. Aber wenn der Partner kommt und sagt, dass ihm nur „einer abgeht“ wenn er euch Schmerz zufügen kann – und das einfach mal nicht eure Baustelle ist: Lasst es bitte sein.
Manchmal braucht man aber auch all den Kram gar nicht und das Klatschen einer Hand auf dem Hintern ist für beide genau das Richtige im jeweiligen Moment. (Geräusche, welche die vielleicht sogar sanften Schläge begleiten können ebenfalls erregend sein, z.B. glattes Leder auf der Haut kann sehr beeindruckend klingen.)
Neben Schmerz, sofern er eine Rolle spielt, geht es in einer funktionierenden, da einvernehmlichen, BDSM Beziehung immer um Vertrauen! Reden, reden, reden ist hier Gold. Steckt vorher ab, was ihr gern ausprobieren möchtet und macht ganz klar, was ihr nicht mögt. Sprecht nachher über die Erfahrungen, die ihr gemacht habt. Probiert beide z.B. am Oberschenkel die „Instrumente“ aus, um eine Ahnung zu bekommen wie sie sich anfühlen. Wenn es „nur“ um die Rituale und das Vertrauen sich hinzugeben geht also z.B. der Gedanke an verbundene Augen und weiche Peitschen-Fäden, die über euren Rücken streifen, vielleicht ganz leicht auf Po oder Rücken geschlagen werden euch anmacht, dann baut solch‘ „harmlose“ Varianten in euer Sexleben ein und lasst beißenden Schmerz einfach weg! Allein etwas Neues, anderes auszuprobieren kann eine tolle Erfahrung mit dem Partner sein.
Wer sich ernsthaft für das Thema interessiert, dem empfehle ich das „SM Handbuch (von Matthias T. J. Grimme)“ und „Die Wahl der Qual: Handbuch für Sadomasochisten und solche, die es werden wollen (von Kathrin Passig und Ira Strübel), insbesondere Letzteres ist auch noch sehr unterhaltsam geschrieben – bei beiden Titeln handelt es sich um Sachbücher, die über das Thema BDSM informieren.