„Schlampen“ oder die böse alte Doppelmoral
Der Aufhänger für diesen Artikel ist ein Gespräch, das ich letzens auf einer Wiese in einem Kreuzberger Park an einem sonst sehr schönen Spätsommerabend mitgehört habe. Dort saßen nur wenige Meter von mir entfernt drei junge Männer und sprachen über sexuelle Erfahrungen in einer Lautstärke als wollten sie alle Anderen mit unterhalten. Sie tranken ihr Bier und lachten immer wieder.
Diese Sache an sich sei ihnen gegönnt – auch Frauen tauschen sich ja gern mit Freundinnen aus – insbesondere wenn das was wir zuletzt erlebt haben besonders beeidruckend oder auch eine mittlere Katastrophe war. Auch eine wein- oder bierseelige Bewertung der Fähigkeiten eines Sexpartners kann schon mal harsch ausfallen. Aber was mich ehrlich schockiert hat – denn es waren noch sehr junge Männer – war die Inbrunst und Ernsthaftigkeit mit der sie über den weiblichen Part in ihren eigenen oder auch Erfahrungen eines anderen Freundes herzogen.
Und: Es fielen die Worte: „… voll die Schlampe“
Eine junge Frau hatte sich wohl einem der drei bereits am ersten Abend ihres Kennens so weit genähert, dass sie „ihn“ in den Mund genommen hatte. Das sei „voll eklig“ gewesen. Ich finde es ja fast sympathisch, dass sich junge Menschen nach mehr Kennen sehnen, bevor es zu so intimen Handlungen kommen sollte wie Oralverkehr. Aber was mich wirklich sorgt ist die Sache mit „der Schlampe“. Das Wort fiel keineswegs scherzhaft. Nein – es wurde in voller Absicht der Abwertung dieser Frau verwendet. Woher kommt dieser Drang zur Abwertung des Sexpartners? Wenn ein Mann nicht möchte, dass sich eine Frau seinem Schwanz nähert, dann kann er das einerseits sagen und andererseits auch durch Gesten zum Ausdruck bringen. Aber dieses Abwerten des Anderen im Nachhinein finde ich mehr als unsympathisch.
Ich frage mich, haben junge Männer noch immer solche Vorstellungen im Kopf? Sex ist besonders in den ersten „Versuchen“ sicher nicht immer der Brüller aber woher kommt das Bedürfnis vor den Freunden zu berichten wie eklig etwas war mit dem Hinweis auf „die Schlampe“, die solche ekligen Sachen bereits am ersten Abend macht? Jugend entschuldigt zwar Einiges aber sich in dem Moment des Berichts über das andere Geschlecht – das ihr ja normalerweise mögt?! – erheben? Sowas macht mich ehrlich wütend. Wie soll man denn gemeinsam erotische Erfahrungen machen, wenn sich eure Klassenkammeradinnen oder Eroberungen des Abends dann wieder den ehrlich alten Klischees ausgesetzt sehen? Ich hätte mir ja gewünscht, dass einer der drei jungen Männer etwas Relativierendes gesagt hätte – aber der Erzähler erntete nur bestätigendes Lachen ergänzt von ein bis zwei „iiiihs“.
Wann hört das endlich auf mit der Doppelmoral? Ist das nicht widersinnig, dass man als junger Mensch so früh wie nie an Pornografie gelangt und sich Praktiken auf dem Bildschirm ansehen kann, die noch lange Zeit weit von einem selbst weg sind oder es auch bleiben und wenn „man“ mal auf ein echtes Gegenüber trifft, das Lust auf ihn hat wird sie doch ?noch? als Schlampe abgestempelt? Freut euch doch wenn man lustvoll aufeinander trifft – selbst wenn es nur einmal ist. Und: Wenn man etwas wirklich nicht möchte oder „eklig“ findet, dann habe ich den Appell an euch: Lasst es lieber bleiben als euch im Nachhinein schlecht zu fühlen. Dann muss sich auch niemand nach einem blöden Erlebnis über sein Gegenüber – sei es Mann oder Frau – erheben, indem man den Sex-Partner abwertet.
Außer beim Dirty-Talk (bei dem alle Beteiligten wissen worum es geht!) finde ich, „voll die Schlampe“ geht gar nicht!
Gerade einer sehr jungen Frau verlangt so ein versuchter „Blow-Job“ vielleicht eine große Portion Mut ab – egal ob am ersten Abend oder auch später. Wie gern wird sie das wohl nochmal machen wenn ihr sie untereinander dann als Schlampe, die so eklige Sachen macht bezeichnet? Gerade in Freundeskreisen macht sowas irgendwann mal die Runde. Schon mal darüber nachgedacht? Und: Bei allen Dingen gilt auch beim Oralsex (sofern man/frau nicht generell abgeneigt ist) Übung macht den Meister oder die Meisterin. Die Chancen sind gut, dass man mit der Zeit genießen kann, wenn sich Lippen, Zunge und Mund den empfindlichsten Körperteilen widmen.
Über Kommentare zur Wahrnehmung und Bewertung offensiver weiblicher Sexualität freue ich mich! Beide Geschlechter sind hier gefragt. Miteinander reden ist doch eh viel schöner als nur übereinander.