Stille Wasser muss man aufwirbeln…
Hand in Hand liefen sie die Straße entlang. Links und rechts von ihnen standen wunderbare Altbauten, einige mit Jahreszahlen über den Eingängen rund um die vorletzte Jahrhundertwende. Sie kannten sich nicht, hatten eben noch an der selben Haltestelle auf den Bus gewartet. Beide könnten von ihrer Erscheinung her kaum verschiedener sein. Auch wenn sie etwa gleich groß sein mussten mit etwa 1,75 m so unterschieden sie sich sehr von ihrer Kleidung und ihrem Auftreten her. Liliane mochte es eigentlich nicht wenn sie zu sehr in ihrer Weiblichkeit auffiel. Sie trug immer schlichte Schnürschuhe aus Leder, die vermutlich auch Herrenschuhe hätten sein können – wären sie nur einige Nummern größer gewesen. Die gerade Jeans und das schwarze T-Shirt waren sportlich aber kein echtes, modisches Statement. Nur ihr extrem akkurater, dunkler Kurzhaarschnitt war ein echter Hingucker. Deshalb war sie Rica auch gleich aufgefallen. Dabei zog eigentlich sonst Rica alle Aufmerksamkeit auf sich. Mit ihrem hohen 50er Jahre Pferdeschwanz, geradem Pony in schwarz und einer großen, roten Schleife in den Haaren hätte sie vielleicht wie eine Parodie auf die 50er des 20. Jahrhunderts gewirkt.
Aber ein grünes Kleid mit halb langen Ärmeln, sehr schmaler Taille und einem weit schwingenden Rock, unter dem sie wirklich einen Petticoat trug vervollständigte ihren Look. Natürlich durften klassische, schwarze Pumps und knallrote Lippen nicht fehlen. Sie trug diesen Stil mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen suchte. Sie genoss die regelmäßig erstaunten Blicke fremder Menschen wenn sie sich so ausstaffiert durch die Stadt bewegte. Nur die schüchterne Liliane hatte weder an der Haltestelle, noch während der Busfahrt Notiz von Rica genommen. Eine Weile hatte diese überlegt, ob sie die schöne, in sich gekehrte Frau einige Meter neben sich die Fahrt über ein Wenig bewundern sollte, um dann einfach nichts zu tun. Aber als beide an der selben Haltestelle ausgestiegen waren, konnte sie nicht anders und nahm die ihr bis dahin Fremde einfach an die Hand. Es war irgendwie verrückt. Denn beide hatten sich nur kurz in die Augen geschaut und Liliane ergriff wie selbstverständlich die ihr angebotene Hand. Auch wenn der auffällige Look ihr eigentlich zu „laut“ war, so fand sie in den warmen, braunen Augen der schwarzhaarigen Frau etwas, das es ihr leicht machte mit ihr zu gehen. Einfach etwas zu wagen. Während sie einige hundert Meter gelaufen waren riskierten beide das eine oder andere Mal einen Blick zur Seite, um sich direkt anzusehen. Auch Liliane hatte dunkle Augen, allerdings fanden sich darin kleine, grüne Sprenkel, wie Ricarda beim ersten längeren Blick – als sie an einer Ampel standen – sehen konnte. Sie sah die Unsicherheit der anderen in deren Blick gepaart mit dem ernsthaften Wunsch zu vertrauen.
In Lilianes Kopf ging es drunter und drüber. Was wollte diese Schönheit, die nun seit einigen Minuten ihre Hand hielt ausgerechnet von ihr? Das konnte doch gar nicht sein oder? Doch trotz ihrer langsam aufkeimenden Zweifel spürte sie etwas, das zwischen ihr und der anderen Frau war. Ihre Hand fühlte sich gut an, warm und weich. Schlanke Finger zweier recht kleiner Hände waren ineinander verschränkt und die Chemie ließ es kribbeln zwischen beiden. Sie sprachen nicht miteinander während Liliane sich von Rica durch die Straßen führen ließ. Vor einem dieser traumhaften Häuser, an denen sogar der Stuck erhalten geblieben war wurde Ricas Schritt langsamer, ihr schwingender Rock kam zur Ruhe und das Klacken ihrer Absätze wurde leiser. Sie lotste Liliane leicht in Richtung Hauseingang und klingelte. Wenige Sekunden später summte es und sie konnten das Haus betreten.
Noch immer hielt der Kontakt ihrer Hände, auch als sie die Treppen nach oben stiegen bis in den zweiten Stock. Die Tür stand einen Spalt offen aber niemand wartete dort auf sie. Beide betraten die Wohnung und standen in einem langen Flur. Jetzt zog Rica ihre neue Bekannte geradezu den Flur entlang bis zu einer Tür, die sich am Ende des sicher 10 m langem Flures befand. Genau so schnell, wie die Tür geöffnet war, schloß Rica diese auch wieder hinter ihnen beiden. Das Zimmer war hell, recht groß und mit warm wirkenden Parkettboden ausgestattet. Die einzigen Möbel im Raum waren ein Doppelbett und zwei zugehörige Nachttische mit je einer kleinen Lampe darauf. Jetzt hatten beide Zeit füreinander, Zeit für die Chemie, die zwischen ihnen geschah.
Sanft strich Rica ihrer Fremden eine Strähne aus dem Gesicht. Dann fragte sie schlicht:“Wie heißt Du?“ Die andere schluckte kurz einen Kloß im Hals herunter, atmete tief durch und antwortete lediglich: „Liliane“
„Schön, dass Du hier bist Liliane. Ich bin Rica.“ sagte diese, trat ganz nah an Liliane heran und hauchte ihr einen Kuß auf die Wange. Diese Berührung, so sanft wie ein Luftzug, der einen streift brach endgültig das Eis. Beide bewegten ihre Lippen aufeinander zu und küssten sich. Erst ganz vorsichtig, dann wurden beide deutlicher in ihrem Verlangen, die andere zu spüren. Sie neckten sich mit leichten Bissen in eine Lippe, ihre Zungen spielten miteinander. Erst kraftvoll umschlungen, dann spielend im Wechsel den Mund der Frau vor sich erforschend. Rica legte ihre Arme um Liliane als ihre Küsse immer heftiger wurden. Diese umarmte zurück während beide sich gleichzeitig in Richtung Bett schoben, wo sie sich wie selbstverständlich in die frische, weiße Bettwäsche sinken ließen. Es waren wunderbare Küsse, die Verlangen nach mehr in beiden Frauen. Doch das hielt sie nicht davon ab, sich noch sehr viel Zeit zu lassen die Frau neben sich im Bett, von der jede nichts wusste als den Namen der anderen ausgiebig zu erforschen.