Warum verhüten eigentlich so viele Frauen mit Hormonen?
Als für mich in der Jugend Verhütung ein wichtiges Thema wurde, hieß es Kondome schützen vor Aids, aber allein damit zu verhüten sei schon sehr unsicher. Von Autoritäten auf dem Gebiet wie dem Bravo Dr. Sommer Team wurden hier die Kombination mit Spermien abtötend wirkenden Schaum-Zäpfchen empfohlen. Spätestens der Besuch bei meiner ersten Gynäkologin war dann aber ernüchternd.
Für sie schien es damals – Mitte der 1990er – keine Alternative zur Pille zu geben. Also nahm ich sie, die Pille und fühlte mich damit sicher. Inklusive Aufkleber am Spiegel aus der Pillenpackung gegen das morgendliche Vergessen. Mein erster richtiger Freund und ich machten, dank der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und ihrer Anti-Aids Kampagne in den frühen Neunzigern sogar einen HIV Test, obwohl wir beide für den anderen der erste Sexualpartner waren. (Das Angst machen vor dieser damals in jedem Fall tödlichen Krankheit hatte also hervorragend geklappt.) Seit dem negativen Aids Test verhütete nur ich mit der Pille in den folgenden fast drei Jahren unserer Jugendliebe.
Leider hatte die Einnahme der Pille aber auch Nachteile. An manchen Tagen saß ich vor meinem Freund, den ich sehr liebte und Tränen rannen ohne ersichtlichen Grund meine Wangen herab. Da das nicht aufhörte ging ich zu meiner Frauenärztin, da ich gelesen hatte, die Pille könne für Stimmungsschwankungen mit verantwortlich sein. Also wechselten „wir“ das Präparat. Es wurde besser mit dem unbegründeten Weinen aber dafür hatte ich weniger Lust auf Sex. Das gefiel meinem Freund damals gar nicht, insbesondere, da wir als Teenager ja nicht überall und ständig Gelegenheit zum Sex hatten. Also vergingen manchmal Wochen bis wir wieder miteinander schliefen. Das war echt Mist. Natürlich gab es auch Probleme in meiner Teenagerzeit und manchmal stritt man mit den Eltern oder es gab Knatsch mit einer Freundin. Also gab es sicher auch andere Faktoren, die mit hineinspielten in meine Gefühls-Gemengelage.
Trotzdem: Mein Freund und ich passten eigentlich ziemlich gut zueinander aber durch die Unlust entstand eine Spirale aus Unzufriedenheit (bei ihm) und schlechtem Gewissen (bei mir).
Im Grunde stritten wir nach etwa zweieinhalb Jahren nur über den nicht stattfindenden Sex. Und das obwohl wir ihn gemeinsam ganz langsam und vorsichtig miteinander entdeckt hatten. Stundenlanges angezogen auf dem Bett seines Jugendzimmers Wälzen inklusive. Das war ehrlich sehr aufregend gewesen!
Ich will nicht so weit gehen der Pille die Schuld am Scheitern der Beziehung zu geben aber es war sicher ein Faktor, der meine Libido stark beeinflusst hat. Es ist ja auch logisch: Da die Pille dem Körper vorgaukelt, man sei bereits schwanger, braucht es rein biologisch ja auch in solch einer Situation gar keinen Sex mehr.
In den insgesamt sicher 12 Jahren meines Lebens, die ich hormonell verhütet habe, kam ich immer wieder zu Ärzten und Ärztinnen, die mir gegenüber jegliche Alternative zur Pille verneinten. Leider wiederholte sich die oben beschriebene Geschichte noch „krasser“ ein weiteres Mal in meinem Leben. Und: Es tat mir so sehr leid vor diesem lieben Mann zu stehen, der damals mein Leben mit mir teilte und einfach keinen Impuls zu haben mit ihm schlafen zu wollen. Dabei hatte ich tiefe Gefühle für diesen Menschen. Nicht zuletzt vermisste ich als es nach langem Kampf vorbei war mit uns beiden meinen besten Freund. Lange hatten wir über (fast) alles miteinander sprechen können.
Auch in dieser Beziehung gab es Probleme – erwachsenere Probleme sicher als mit 16 oder 17 Jahren – und letztlich waren andere Probleme ausschlaggebend für das Scheitern dieser sehr langen Beziehung. Aber ein Libido-Verlust des damals zeitweise erlebten Ausmaßes belastet eine Liebesbeziehung trotzdem sehr!
Als ich die Pille sechs Monate nach dem Beziehungsende absetzte kam das Begehren dafür mit voller Wucht zurück. Was mich in meiner Theorie bestärkt, dass es ein viel stärkerer Eingriff in den weiblichen Körper und Zyklus ist sich täglich mit Hormonen zu füttern als die Befürworter dieses unbestreitbar ursprünglichen Fortschritts der späten 1960er Jahre gern zugeben möchten. Die „Macht“ darüber zu haben, ob eine Frau ein Kind bekommen möchte oder nicht endlich auch in ihrer Hand zu sehen muss die Frauen dieser Generation unglaublich befreit haben. Aber heute ist das für die Industrieländer wenigstens allgemein anerkannt also können wir Frauen auch darüber entscheiden heute Alternativen zur Verhütung zu verwenden.
Sicher, meine Geschichte ist individuell und mein Leben war aus vielerlei Blickwinkeln selten von „Friede-Freude-Eierkuchen“ geprägt. Aber vermutlich hätte dieser mir lange fehlende Bereich der Sexualität mein Leben auch in diesen Phasen bereichern können!
Natürlich verstehe ich es, wenn junge Mädchen so große Angst vor einer Teenager-Schwangerschaft haben, dass sie die Hormone in Kauf nehmen. Für ältere Frauen mit regelmäßigem Zyklus gibt es verschiedene Alternativen von Verhütungscomputern bis hin zur symptothermalen Methode. Aber auch Barrieremethoden wie das Diaphragma. Auch die früher leider häufig gehörte Aussage, dass Frauen, die nicht geboren haben keine Spirale verwenden können stimmt so nicht (mehr). Es gibt Spiralen, die gar nicht so riesig sind. Aber Achtung: Auch hier gibt es Varianten mit integrierter Hormonabgabe.
Berührung, Nähe, Geborgenheit, Lust, Aufregung, Anspannung, wunderbare Höhepunkte oder eben der ganz normale Wahnsinn, den Sex im eigenen Leben bedeuten kann möchte ich nicht mehr missen. Auch nicht die Lust darauf mit dem Mann in meinem Leben schlafen zu wollen, wenn ich geradezu danach verzehre ihn zu berühren und von ihm berührt zu werden.
Wie sind eure Erfahrungen mit hormoneller Verhütung? (Auch Hormonpflaster oder Spritze) Kennt ihr unerwünschte Effekte oder kommt ihr damit gut klar? Über Kommentare zu diesem – zugegebenermaßen – sehr persönlichen aber gerade deshalb so wichtigen Thema freue ich mich.
Herkunftsnachweis des Bildes mit der Pillenpackung:
Von Matthew Bowden www.digitallyrefreshing.com – http://www.sxc.hu/photo/103942, Attribution, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=90196